Zwei Experten, eine Meinung: So stärken Energieversorger mit Customer Journey Management ihre Kundenbindung
Uno Jüngling-Colic,
CX-Experte bei Eckart und Partner
Thomas Schäffer
CSO & Co-Founder bei cxomni
Hallo Uno, hallo Thomas, schön, dass Ihr Euch mit uns zu den CX-Herausforderungen im Energiesektor unterhaltet. Ihr habt beide längere Zeit in der Branche gearbeitet oder seid noch aktiv. Am besten stellt Ihr Euch kurz vor.
Mein Name ist Uno Jüngling-Colic Ich bin Partner bei Eckart & Partner und unterstütze Kunden aus der Energie- und Dienstleistungsbranche bei der Planung, Entwicklung und Verbesserung digitaler Kundenerlebnisse. Mein Ziel war es immer, das gesamte Kundenerlebnis positiv zu beeinflussen und dabei stets die Kundenperspektive einzunehmen.
Mein Name ist Thomas Schäffer und ich bin Chief Sales Officer bei cxomni. Ich besitze mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Durchführung von Journey-Management-Projekten, davon allein sechs im Bereich SaaS-Software. Vor meiner Zeit bei cxomni habe ich mehrere Jahre bei einem Energiehändler das Marketing betreut. Die Themen Kundenzentrierung und Kundenerlebnisse begleiten mich also seit längerem.
Steigen wir ins Thema ein: Uno, was sind die häufigsten CX-Fehler, die Energieversorger aus Deiner Sicht machen?
Die meisten Fehler entstehen bei der Digitalisierung der Kundenschnittstelle. Historisch gesehen mussten sich Energieversorger nicht auf ihre Kunden einstellen und der Kundenkontakt fand bei der Rechnungsstellung und Zählerablesung statt. Das hat sich mit Klimawandel, Digitalisierung und Energiekrise schlagartig geändert: Viele EVU modernisieren ihre Geschäfts- und Kundenprozesse und fokussieren sich dabei auf die IT-Architektur – also die Einführung und Inbetriebnahme neuer digitaler Systeme im Backend wie CRM-, Self-Service, ERP- oder Billing-Systeme. Die digitale Customer Journey spielt sich aber im Frontend ab. Usability, Funktionsumfang und eine verständliche Kundenansprache werden erst spät oder nur oberflächlich angegangen. Dabei ist das die wichtigste strategische Maßnahme zur Kundenbindung. Hinzu kommt, dass einige dieser Initiativen auf Annahmen basieren und interne Sichtweisen priorisieren, ohne das Ganze mit Kunden zu testen. So entstehen Risiken und Fehler, die später sehr aufwändig und kostenintensiv korrigiert werden müssen.
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Thomas, was sind Deine Erfahrungen: Wie werden Kundenerlebnisse bisher in der Branche visualisiert und analysiert? Ist Customer Journey Mapping ein Thema?
Customer Journeys sind im Energiesektor in der Tat ein Thema, wenngleich vielleicht noch nicht so ausgereift wie in anderen Branchen. Die aktuellen Herausforderungen, die Uno beschrieben hat, zwingen den ein oder anderen Energieversorger zum Umdenken. Energieversorger möchten gerne die Anzahl der positiven Touchpoints erhöhen, um eine Beziehung zu ihren Verbrauchern aufzubauen und um sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Daher haben Verbraucher mit ihren Netzanbietern neben der Jahresabrechnung über weit mehr Touchpoints wie dem postalischen Anschreiben zur Zählerstands-übermittlung Kontakt. Hinzu kommen mittlerweile auch Apps für die Mobilität oder Ladelösungen. Diese zusätzlichen Kanäle und Touchpoints sorgen für komplexe Kundenreisen und je nach Kontaktpunkt und Kunde kann das Erlebnis variieren. Energieversorger müssen diese Kanäle orchestrieren, damit sie wissen, welcher Kanal für welche Zielgruppe am besten funktioniert. Daher können Kanäle und Kontaktpunkte nicht separat analysiert, sondern müssen im Journey-Kontext und auf die Zielgruppe ausgerichtet, betrachtet werden. Customer Journey Mapping als Methode bietet dafür einen guten Einstieg, um in die Kundenperspektive zu wechseln und die Emotionen und Erlebnisse zu verstehen.
Aus eurer Sicht leistet ein Customer Journey Management einen großen Impact bei der Kundenbindung. Thomas, was unterscheidet das Customer Journey Management vom Customer Journey Mapping und wie kann es bei der Kundenbindung helfen?
Customer Journey Management ist nach meiner Erfahrung im Energiesektor noch nicht in allen Unternehmen angekommen. Der wichtigste Unterschied ist, dass Customer Journey Mapping eher auf Abteilungsebene eingesetzt wird. Für ein klassisches Customer Journey Mapping schließen sich z.B. in Workshops mehrere Abteilungsteams temporär zusammen und visualisieren Kundenreisen, wenn zum Beispiel ein neues Produkt oder ein neuer Service eingeführt wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass dann eher flache Tools wie z.B. PowerPoint verwendet werden, die einen schnellen Start ermöglichen.
Ein Journey Management ist langfristig und auf Nachhaltigkeit angelegt. Es ist ein regelmäßiger Prozess, bei dem Kundenreisen mit Erkenntnissen aus Datenquellen wie Web Analytics oder Kundenfeedback angereichert werden, so dass regelmäßig konkrete Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung abgeleitet werden können. Dadurch ist ein Customer Journey Management auch viel strategischer ausgerichtet, denn Kundenbindung lässt sich nur sehr schwer mit einem temporären Konzept erreichen. Es sind langfristige Maßnahmen notwendig, da sich das Kundenverhalten über die Zeit verändert. Ein Journey Management sorgt dafür, dass diese Maßnahmen auf ihren Erfolg hin fortlaufend überwacht und optimiert werden. Da Kundenverhalten und -emotionen immer wieder hinterfragt und überprüft werden, können sich Unternehmen viel besser auf die sich verändernden Kundenanforderungen einstellen.
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Uno, Du berätst viele Kunden aus der Branche. Wie sieht ein erfolgreiches Journey-Management-Konzept aus und wie sollte es implementiert werden?
Der Weg, den Gas- und Stromkunden heute von der ersten Interaktion mit einem EVU bis zum Vertragsabschluss und darüber hinaus zurücklegen müssen, ist komplexer denn je. Es kommt auf die richtigen Strategien und Taktiken an, um diese Kundenreise über die vorhandenen Kanäle zu betrachten und zu optimieren. Obwohl viele Journeys verschachtelt sind und sowohl menschliche als auch digitale Kontaktpunkte beinhalten, müssen sie nahtlos erscheinen. Dann entsteht ein positives Kundenerlebnis, das Loyalität und Wachstum fördert. Wichtig ist ein skalierbares Konzept, das sich durch eine einheitliche Sprache, Methodik, Ziele und Metriken auszeichnet und in der gesamten Organisation umgesetzt werden kann.
Dafür müssen Energieversorger die Kundenreise verstehen, indem sie Kundendaten über bestimmte Kanäle und Kontaktpunkte hinweg sammeln und analysieren. Basierend auf dieser Analyse können sie dann Bereiche identifizieren, die verbessert werden müssen, um dann die Journey-Management-Strategie zu entwickeln. Touchpoints und Erlebnisse können dann gezielt auf die digitalen Wünsche der Kunden angepasst werden, wie z.B. eine App, in der Verbraucher den Abschlag ändern, Zählerstände übermitteln, Rechnungen überprüfen oder einfach den Tarif wechseln können.
Wichtig ist, dass die Journey-Management-Strategie klare Ziele und KPIs sowie priorisierte Maßnahmen zur Verbesserung der Journey enthält. Bei der anschließenden Implementierung ist es wichtig, dass neue Prozesse, Tools und die Mitarbeiterschulung nicht zu kurz kommen. Und wie jede Strategie sollten auch Journey-Management-Konzepte fortlaufend überwacht und auf kontinuierliche Verbesserungen hin überprüft werden.
Thomas, warum ist Customer Journey Management immer ein Software-Thema?
Energieversorgungsunternehmen haben oft viele Produkte für unterschiedliche Zielgruppen oder verschiedene Kanäle wie Website, App und Hotline, die Kunden für ihre Anliegen nutzen. Das führt zu vielen unstrukturierten Informationen, die geordnet werden müssen. Eine Software hilft beim Datenmanagement, denn sie kann große Mengen an Journeys oder komplexe Kundenreisen transparent abbilden und strukturieren, damit diese gemanagt werden können.
In der Software lassen sich Kundenreisen auch nach Verantwortlichkeiten filtern, damit Entscheider:innen schnell einen Überblick über alle Journeys eines Unternehmensbereichs bekommen. Oder sie können Relationen zwischen Kundenreisen herstellen und bewerten. Es gibt z.B. immer wieder Problempunkte, die an einem Kontaktpunkt auftreten, der Bestandteil verschiedener Journeys ist. Sind beispielsweise Tarifstrukturen und Abrechnungen klar oder sorgen sie beim Verbraucher für Missverständnisse? Wird dieser Pain Point z.B. in der App behoben, hat das einen Affekt auf andere Journeys, während denen sich Kunden z.B. beim Energieberater oder auf der Website informieren. Entscheider:innen müssen verstehen, welcher Pain Point welche Journey betrifft. Dann lassen sich auch Probleme identifizieren, die schnell behoben werden müssen, weil sie mehrere Kundenreisen und Erlebnisse negativ beeinflussen.
Der zweite wichtige Aspekt ist, dass Unternehmen mit einer Journey Management Software die Annahmen über eine Kontaktpunkt-Performance aus einem Design-Workshop mit Echtzeitdaten aus Kundenfeedbacks, Customer Research oder Web Analytics validieren können. Ein gutes Beispiel sind auch hier wieder Annahmen zur Transparenz bei Tarifen und Services, die sich z.B. mit Voice-of-Customer-Daten bestätigen oder widerlegen lassen.
Was sollte ein Tech-Stack unbedingt leisten?
In erster Linie sollte es über dynamische Elemente verfügen. Das heißt, Kundenreisen sollten sich anpassen und weiterentwickeln lassen. Dann können Energieversorger auch auf Verhaltensänderungen ihrer Kunden reagieren und ihr Journey Management bleibt stets aktuell. Zudem sollten sie eine Kundenreise aus verschiedenen Perspektiven betrachten können. Dazu zählen z.B. Filtermöglichkeiten nach involvierten Stakeholdern und Fachbereichen oder bestimmten Insights, so dass sich auch komplexe Journeys schnell auf die wesentlichen Momente der Wahrheit reduzieren lassen.
Eine zweite wichtige Voraussetzung sind zentrale Repositorys. Da eine Journey Map viele Bestandteile wie Touchpoints, verantwortliche Abteilungen, Insights etc. hat, sollten sich diese Aspekte in eigene Bereiche aufsplitten lassen. Dann können Entscheider:innen je nach Fragestellung, die Informationen einer Kundenreise entsprechend filtern und strukturieren. Da die Datenmengen im Laufe eines Journey-Management-Projekts schnell anwachsen , sind solche Repositorys mit ihren Filtermöglichkeiten das A und O, damit Teams nicht den Überblick verlieren. Gerade umfangreiche Erkenntnislisten, die an Fachabteilungen wie Service-Center oder IT weitergereicht werden sollten, müssen aufbereitet werden. Mehrere tausend Elemente sind hier keine Seltenheit. Ohne eine Filterung nach Fachbereich und eine Priorisierung ist eine Umsetzung der Erkenntnisse im späteren Prozess nicht möglich.
Der dritte Aspekt ist die Anpassungsmöglichkeit. Unternehmen haben unterschiedliche Anforderungen, wie sie Daten strukturieren möchten oder eigene Wordings, um Fachabteilungen abzuholen. So reden manche Entscheider:innen vom Touchpoint, andere vom Kontaktpunkt. Natürlich sollte die Plattform auch, was die Optik betrifft, an die CI des Unternehmens angepasst werden können. Diese individuellen Anpassungsmöglichkeiten sorgen dann dafür, dass das Projekt von Fachabteilungen und Führungskräften die nötige Akzeptanz erhält.
Uno, du behandelst das Thema Customer Journey Management für Energieversorger auch in Deinem Webinar. Auf was dürfen wir gespannt sein?
Das Webinar richtet sich an alle Entscheider:innen, die Kundenschnittstellen in Marketing und Vertrieb sowie Kundenservice und Innovation modernisieren und nach einem Weg suchen, dies kontinuierlich mit mehr Effizienz und Kundenfokus zu tun. Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen, aber wir werden über die Herausforderungen und Potenziale von Journey Management in der Energiebranche sprechen. Wir konzentrieren uns dabei auf konkrete Lösungsansätze und versuchen, die Fragen der Teilnehmer:innen zu beantworten.
Vielen Dank für Eure Antworten.
In unserem Praxis-Webinar erklären wir, wie Energieversorger ein Customer Journey Management nutzen können, um brillante Serviceerfahrungen und reibungslose Kundeneerlebnisse zu erschaffen.
Über die Experten
Uno Jüngling-Colic, Experte für Customer Experience (CX) bei Eckart und Partner, verfügt über mehr als zwei Jahrzehnte Berufserfahrung in der Umsetzung von CX-Management-Programmen in der Energie- und Dienstleistungsbranche. Uno arbeitete unter anderem als Creative Director bei der trurnit Gruppe und als UX Lead Global eBusiness bei TÜV SÜD, wo er für die Optimierung von Online-Shops und Kundenportalen verantwortlich war. Als Mitgründer von lingoking.com war er am Aufbau einer internationalen Plattform für Übersetzungen beteiligt. Uno führt mit einer methodischen Kombination aus Kundenforschung, Design und Agilität und integriert Kundenbedürfnisse in Unternehmensziele, was ihn zu einem geschätzten Experten für digitale Kundeninteraktion macht.
Thomas Schäffer ist Chief Sales Officer (CSO) und Co-Founder bei cxomni. Er ist seit 2016 im Unternehmen und Mitglied des Management-Teams. In dieser Funktion leitet er das Sales-Team, betreut Key Accounts und verantwortet die Vertriebsstrategie.